Volles Programm
Aufstehen fällt heute schwer
Es ist Freitag und es steht Vieles auf dem Programm – ich wage es kaum, aufzustehen, in der Sorge, all das heute zu bewältigen! Als ich es doch tue, vertrödle ich die Zeit vor dem Kleiderschrank: Ich brauche kurze UND lange Hosen für den Tag! Wassertreten geht nur in kurzer Hose. Für die restlichen Anwendungen wäre es mir so zu kalt. Ich schaffe es trotz des Hin- und Herüberlegens rechtzeitig.
Es geht direkt sportlich los
Das Wassertreten ist sehr angenehm. Es ist jedoch schon ein kleiner Schock, das 1. Mal ins kalte Becken zu treten. Ab der 2. Runde habe ich mich daran gewöhnt.
Auch die Druckstrahlmassage gefällt mir. Doch ich stelle fest, wie schwer ich zur Ruhe komme! Ich habe die ganze Zeit über den Drang, auf die Uhr zu schauen, und habe die nächsten Termine vor Augen! Da ist sie wieder: Die Angst, etwas zu verpassen!
Die Frühstückszeit wird eng, weil im Anschluss direkt der nächste Termin ansteht. Ich bin aber dankbar, dass ich nicht alleine frühstücken muss. Meine Mitpatientin hat extra auf mich gewartet.
Die Wirbelsäulengymnastik befinde ich als gut und hilfreich. Doch direkt nach dem Essen bekommen mir die Übungen im Liegen nicht. Mir wird leicht komisch – vielleicht ist es der Kreislauf?
Kreislauf ade?!
Also verwende ich mein Lieblingsöl bei allen Magen-Darm-Themen: Digize! Mein Retter in der Not!
Denn es geht direkt weiter zu einem Vortrag für Psychosomatik. Der Vortrag ist witzig gehalten, fasst jedoch nur einen kleinen Teil meines Verständnisses von Psychosomatik.
Die Einführung in das MTT ist ganz gut gemacht. Wir sind nur drei Teilnehmer, sodass die individuellen Einstellungen an jedem Gerät nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Das Antesten der Fitnessgeräte war schon etwas anstrengend. Vielleicht sollte ich zurück zu Hause doch wieder mal ein Fitnessstudio besuchen?
Etwas Me-Time & Weiter geht`s
Danach nutze ich die Zeit bis zum Mittagessen mit Journalen und Durchatmen. Und mich freuen! Auf die glutenfreien Nudeln! Das Handy möchte ich heute wenig nutzen. Nur nach der OP eines Familien- mitglieds wollte ich mich rückversichern, dass alles gut gelaufen ist.
Auch der Arzt erwähnte bei seinem Vortrag, die Nutzung „neuer Medien“ würde dem Konzept einer Reha-Klinik widersprechen, Platz im Kopf für Neues zu schaffen. Zudem gaukeln sie uns vor, in unserem gewohnten Alltag zu sein. Dabei dürfen wir doch lernen, zu entschleunigen. Recht hat er.
Das Programm ist heute sportlich! Achtsam und langsam essen funktioniert auch mittags nicht. Denn es geht bereits um 13 Uhr weiter mit der Atementspannung. Wieder Liegen im Anschluss ans Essen!
Störungen haben Vorrang!
Ich kann mich ganz gut darauf einlassen, obwohl die Meditation abgelesen wird (Das kenne ich so nicht). Bis der Erste schnarcht, das Handy des Zweiten klingelt und die Dritte furzt (Ja, wirklich!).
Danach fühle ich mich trotzdem gut ausgeruht. Also die ideale Voraussetzung für`s Blutdruckmessen.
Trigger bewusst wahrnehmen
Die Einführung ins Ergometer ist stärker besucht, als die am Vortag. Auch die Mitpatientin, die ich am 1. Tag vor dem Mittagessen traf – ich nenne sie liebevoll „Trigger-Freundin“ – ist dabei. Schon im Flur macht sie einen guten Eindruck und verhält sich während der Einführung wie ein unreifer Teenie. Im Anschluss erklärt sie ihren „Mädels“, sie würde sich doch von einem Küken wie unserer Trainerin nichts sagen lassen – okay! Ich erinnere mich an den Hinweis meiner Mentorin: Ich darf von außen beobachten und sie als Spiegel sehen. Ich versuche es ganz fest!
Entschleunigung für mich
Den Nachmittag verbringe ich für mich: Erst lesen, dann Gitarre spielen. Dann überwinde ich mich, doch noch rauszugehen. Ich packe mein Buch und einen Malblock ein. Der Drang, zu laufen, überkommt mich. Ich wandere den Philosophenweg runter. Der ist wirklich malerisch. Unten angekommen, steige ich den „Trecking-Pfad“ hoch – das ist wirklich anstrengend! Genug Sport für heute!
Dann setze ich mich auf die Terrasse und beginne, die Landschaft zu malen. Ohne Anspruch auf Perfektion oder Zeit – das nehme ich mir wenigstens vor.
Vom Alleinsein und Abhängigkeiten
Langsam mache ich mich auf den Weg zum Abendessen. Von meiner neuen Tischnachbarin keine Spur. Ich merke, wie Unruhe in mir aufsteigt. Alleine essen?! Plötzlich überkommt mich ein Gefühl der Einsamkeit. Ich halte inne und erinnere mich, warum ich die Reha angetreten bin: Ich wollte doch Zeit mit mir allein verbringen! Wie habe ich es geschafft, mich so schnell wieder von jemandem abhängig zu machen?! Auch das Buch, das ich gerade lese, handelt von den Vorteilen, alleine zu reisen und zu sein!
Die Küchenkraft ist leider nicht freundlicher geworden und beschwert sich in meiner Gegenwart bei ihrer Kollegin über das glutenfreie Brot, das ihre Arbeitsfläche minimieren würde.
Inzwischen kommt meine Tischnachbarin doch. Ich spüre förmlich die Erleichterung. Nun fragt sie mich, ob sie sich zu mir setzen dürfe (Aber ja!). Ich reflektiere direkt mit ihr meine Ängste und mein Gefühl der Abhängigkeit. Sie hat volles Verständnis dafür. Es tut gut, mit jemandem diese Themen besprechen zu können.
Wir wandern im Anschluss etwas im Haus herum und unterhalten uns über unsere Wochenendpläne. Sie ermutigt mich schließlich, alleine zum Gitarren-Abend zu gehen, der heute stattfindet. Denn das ist nichts für sie. Für mich aber schon! (Wie war das mit dem Allein sein und der Unabhängigkeit?!)
Gitarrenabend mit Folgen
Ich bin schließlich für MICH hier! Der Raum ist nicht überfüllt. Aber es haben sich einige zusammen gefunden. Es tritt keine Profi-Gruppe auf. Aber immerhin üben diese Leute schon seit 25 Jahren zusammen. Das verdient Respekt. Sie laden uns ein, bekannte Lieder mitzusingen.
Plötzlich spielt die Gruppe „I am Sailing“ – ausgerechnet das Lied, das auf der Trauerfeier für meinen Papa lief. Ich singe mit. In der 3. Strophe bricht meine Stimme – und ich breche in Tränen aus. Es stürzen gleich mehrere Mitpatienten auf mich zu, um mich zu trösten. Besonders die junge Frau neben mir blickt immer zu mir rüber und fragt, ob es wieder geht.
Authentisch oder angepasst?
Ich bleibe ihr zu Liebe stumm. Dabei habe ich gerade das Bedürfnis, einfach weiter zu weinen. Für mich zu sein. Ich spüre aber, dass die Menschen um mich herum dies nicht (aus)halten könnten.
Beim nächsten Lied versucht die Mitpatientin, mich aufzuheitern, und nimmt meinem Arm zum Schunkeln. Sie strahlt mich an. Ich lächle zurück. Doch ich komme mir dabei nicht authentisch vor. Trotzdem ist der Abend noch ganz schön.
Wir kommen im Anschluss ins Gespräch. Ich finde heraus, dass sie im selben Alter ist, wie ich. Sie hat schon eine Menge durchmachen müssen und ist schon einige Wochen hier.
Heimweh & Heimatgefühl
Im Zimmer angekommen, mache ich erst gar nichts. Dann schaue ich doch noch zwei Folgen „Die Dinos“, um ein Heimatgefühl herzustellen. Und ich höre mur Kims Nachricht über ihre Tierkommunikation mit Mali an. Teile davon berühren mich sehr. Mali hätte mir doch beigebracht, sie zu lesen und zu fühlen.
Ich schaue noch viel zu viel ins Handy, komme nicht zum Schlafen und beginne erst kurz vor Mitternacht mit dem Journalen. Danach freue ich mich aufs Bett.
Neue Abendroutine
Ich nutze ab jetzt jeden Abend die Ölmischung „Daily Divine“ an meinen Pulspunkten. Es soll helfen, mir einen Raum zu erschaffen, an dem ich reflektieren kann, meinen Geist und mein Herz für die Veränderungen zu öffnen, die ich suche – wenn das nicht passend ist?!
Wie mein erstes Wochenende in der Reha verlaufen ist? Das erfährst du im nächsten Teil! Diesmal wird die Pause nicht so lang. Versprochen!
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